Erinnerung von Mutter Michaela Moraczewska
der Generaloberin der Kongregation
der Schwestern der Muttergottes
in den Jahren 1928-1946
An einem Frühlingsmorgen im Jahre 1924, als ich Oberin in der Żytnia-Straße war, bekam ich von der Pforte ein Zeichen, dass ein junges Mädchen gekommen war und um Aufnahme in die Kongregation gebeten hatte. Ich ging daher zum Sprechzimmer und öffnete die Tür, aber jene Anwärterin – die dort so saß, dass sie mich nicht bemerkte – machte auf den ersten Blick keinen vorteilhaften Eindruck auf mich, weil ihr äußeres Erscheinungsbild ein wenig vernachlässigt war. Ich dachte mir: o, das ist nichts für uns! Und schloss leise wieder die Tür, in der Absicht, eine andere Schwester mit einer abschlägigen Antwort zu schicken.
In diesem Moment kam mir jedoch der Gedanke, dass es mehr der Nächstenliebe entsprechen würde, diesem Mädchen einige oberflächliche Fragen zu stellen und sie erst dann zu verabschieden. Ich kehrte daher ins Sprechzimmer zurück und begann ein Gespräch. Da bemerkte ich, dass die Kandidatin bei näherem Hinsehen sehr gewann, dass sie ein nettes Lächeln und einen sympathischen Gesichtsausdruck hatte und dass viel Einfachheit, Aufrichtigkeit und Vernunft in dem war, was sie sagte. Ich änderte also bald meine Meinung und bekam Lust, sie aufzunehmen. Die Hauptschwierigkeit bestand in der Armut von Helena Kowalska, ganz zu schweigen von der Mitgift, von der der Heilige Stuhl nicht leicht eine Befreiung erteilt; sie besaß keinerlei persönliche Aussteuer, und wir hatten für diesen Zweck keine Mittel. Ich gab ihr jedoch den Gedanken ein, ob sie nicht für einige Zeit in Dienst gehen und sich ein paar Hundert Zloty für die Aussteuer zurücklegen könnte. Sie nahm diesen Vorschlag sehr bereitwillig auf, und wir kamen überein, dass sie das zurückgelegte Geld zur Aufbewahrung zur Pforte bringen würde. So verblieben wir, ich verabschiedete sie bald darauf und vergaß alles.
Und so wunderte es mich außerordentlich, als man mir einige Monate später nach Wilna schrieb, wo ich mich damals aufhielt, dass eine Person 60 Zloty zur Aufbewahrung gebracht habe und sich dabei auf eine erhaltene Anweisung berief. Erst nach einigem Überlegen begriff ich, worum es ging. Seit dieser Zeit vergrößerte sich das Depositum ständig, so dass sich nach einem Jahr mehrere hundert Zloty angesammelt hatten, die damals für die bescheidene Aussteuer einer Ordensschwester ausreichten. Helena hatte während dieses Jahres bei einer Frau gedient (…), die mit ihr außerordentlich zufrieden war. Sie besuchte sie, als sie schon ins Postulat eingetreten war und äußerte sich gegenüber den Schwestern, dass sie in Bezug auf ihre Kinder ganz ruhig gewesen sei, weil sie sie bei einer so zuverlässigen und vertrauenswürdigen Person überlassen habe. Diese Frau konnte es auch nicht verschmerzen, dass Helena in die Kongregation eingetreten war, einmal wollte sie ihr sogar ihre Berufung ausreden – wir wissen das von Schwester Faustina.
Kurz nach dem Eintritt [in die Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit] wurde sie [Helena Kowalska] nach Skolimów geschickt, wo wir 1925 eine Villa für die Sommerfrische für die Warschauer Schwestern und Zöglinge gemietet hatten. Im Herbst blieb dort nur eine der Schwestern – eine Rekonvaleszentin – mit einer Begleiterin, und Helena kochte für sie und erfüllte diese Pflicht hervorragend.
Nach dem Eintritt in die Kongregation wurde Schwester Faustina in Warschau der Betreuung von M. Janina anvertraut, einer unserer ältesten und hervorragendsten Mütter, die sich in jener Zeit, im Jahre 1925, mit den Postulantinnen befasste. Mutter Janina gewann die junge Anwärterin sehr lieb, würdigte ihre Eigenschaften und lernte ihren Gebetsgeist kennen, weil sie schon einige Monate später zu mir sagte: Helena ist eine Seele, die sehr eng mit Jesus verbunden ist. Das freute mich ungemein, aber ich ging nicht auf Einzelheiten ein. Erst als Schwester Faustina schon im Noviziat in „Józefów” war, erzählte sie mir selbst, dass sie einmal in der Żytnia-Straße eine Erscheinung von Jesus hatte, der ihr geholfen habe, eine Versuchung gegen die Berufung zu besiegen. Mir scheint, dass sie dieses Ereignis auch in ihren Notizen erwähnt.
Seit dieser Zeit erzählte sie mir des Öfteren von ihren mystischen Erlebnissen, über Worte, die sie in ihrem Inneren hörte, einmal gab sie mir sogar als junge Professin in Warschau mit Bleistift notierte innere Erleuchtungen. Ich muss jedoch bekennen, dass ich dem keine große Aufmerksamkeit schenkte und sie nur oberflächlich durchsah. Ich habe den Eindruck, dass sie manche dieser Notizen in das Tagebuch einfügte, dass sie später auf Anweisung ihres Seelenführers schrieb.
Die ersten Gelübde legte sie am 30. April 1928 ab. Kurz darauf fuhr sie nach Warschau, wo sie in der Küche für die Zöglinge kochte. Die Kinder, die dort mit ihr arbeiteten, hegten große Achtung für sie, was sich insbesondere dann erwies, als sie nach ihrem Tode von der Verbreitung der Andacht an die Barmherzigkeit Gottes erfuhren. Sie hatten sie in netter Erinnerung und schätzten sich glücklich, dass es ihnen beschieden war, gemeinsam mit ihr zu arbeiten. Im Übrigen war es in anderen Häusern genauso. Die Schwester erzählte ihnen bei der Arbeit erbauliche Dinge und ermunterte sie zu kleinen Opfern für Gott.
Die Umstände fügten sich so, dass man Schwester Faustina oftmals an immer andere Stellen versetzen musste, so dass sie fast in jedem Haus der Kongregation arbeitete. Und so wurde sie, nach einem kurzen Aufenthalt in Warschau, in der Żytnia-Straße, und in Grochów wieder nach Płock versetzt, und von dort aus für kurze Zeit nach Biała, das eine landwirtschaftliche Außenstelle des Hauses in Płock ist. Ihre Hauptaufgabe in Płock war jedoch, und zwar bis zu ihrer dritten Probation (Ende 1932), die Arbeit im Laden beim Verkauf von Gebäck aus der örtlichen Bäckerei. Sie widmete sich der neuen Pflicht mit aller Hingabe, so dass ich noch heute – vielleicht mehr als damals – den Eifer schätze, mit dem eine so innerliche Seele bei so einer prosaischen Beschäftigung arbeitete.
Ungefähr ein Jahr vor dem Beginn der dritten Probation traten jedoch Veränderungen ein, die bewirkten, dass ich Schwester Faustina wider Willen, bei all meinem großen Wohlwollen, Leid zufügen musste. Damals nämlich erfuhr ich von der damaligen Mutter Oberin in Płock, dass Schwester Faustin in einer Offenbarung die Anweisung erhalten hatte, ein Bild der Barmherzigkeit Gottes zu malen. Solange ihre reichen inneren und mystischen Erlebnisse innerhalb der Klostermauern blieben und ein Geheimnis zwischen Gott, ihrer Seele und den Vorgesetzten waren, freute ich mich, weil ich in all diesen Gnaden eine große Gabe Gottes für die Kongregation sah. Anders aber, als die Offenbarungen der Schwester darauf hinstrebten, sich nach außen zu offenbaren. Ich hatte damals große Angst davor, auch nur die geringste Neuerung in das Leben der Kirche einzuführen, falsche Andachten usw., und als oberste Vorgesetzte fühlte ich mich hier für unsere Kongregation verantwortlich.
Ich befürchtete bei Schwester Faustina auch eine ausschweifende Phantasie oder vielleicht eine Hysterie im Hintergrund, denn nicht immer erfüllte sich das, was sie prophezeite (…). So gerne und mit Erbauung ich also zuhörte, wenn sie aufrichtig und schlicht ihre tiefen und schönen Gedanken erzählte, ihre übernatürlichen Erleuchtungen, so reserviert reagierte ich, als sie um äußere Schritte bat, indem ich des Öfteren einen der Theologen zu Rate zog.
Die Oberin aus Płock erinnerte mich, dass die Schwester ein Bild malen sollte, aber sie selbst wandte sich erst nach der Ankunft in Warschau zur dritten Probation an mich. Daraufhin antwortete ich: Gut, ich gebe Ihnen Farben und Leinwand, malen Sie, Schwester. Sie ging betrübt weg und wandte sich – so viel ich weiß – an ein paar Schwestern mit der Bitte, ob sie ihr nicht ein kleines Jesusbild malen könnten. Sie tat dies diskret, aber ohne Erfolg, denn auch diese Schwestern konnten nicht malen; es war jedoch zu sehen, dass sie von diesem Gedanken erfüllt war.
Die Vorbereitungszeit auf die letzten Gelübde war für Schwester Faustina – wie ich heute weiß – ziemlich schwer. Die Sache mit dem Malen des Bildes lag ihr am Herzen, wobei sie zu kränkeln begann und zum Arzt gehen musste, der vorläufig nichts fand. Heute denke ich, dass diese Diagnose falsch war. Schließlich ermahnte sie M. Janina, die sie zu Beginn des Ordenslebens so gut verstanden hatte, weil sie von einer Offenbarung gehört hatte, einige Male, sich nicht auf Außergewöhnliches einzulassen, denn das könne sie auf falsche Wege führen usw. Und Schwester Faustina war ungeheuer empfindsam und spürte diese Ermahnungen sehr stark.
All dies bewirkte, dass die Schwester, die innerlich beansprucht war, mit geringerem Eifer als gewöhnlich der Schwester Vestiarin half, der sie zur Hilfe zugeteilt war (zu einer gewissenen Bekümmerung der Letztgenannten).
Äußerlich verlief jedoch alles tadellos und normal, und so legte Schwester Faustina zum festgesetzten Termin, am 30. April [1. Mai] 1933, nach der Abhaltung von Exerzitien, in „Józefów” die ewigen Gelübde ab. Die Meisterin der dritten Probation war damals M. Malgorzata Gimbutt, die Probation hielten die Schwestern in Warschau ab.
Da ich diese Seele [Schwester Faustina] kannte, verstand ich gut, dass sie eine erfahrene Seelenführung haben sollte und deshalb wünschte ich, dass sie nach den Gelübden in Józefów blieb, um die Seelenführung durch P. Andrasz zu nutzen, zu dem sie großes Vertrauen hatte. Merkwürdigerweise fügte sich dies jedoch nicht so. Pater Andrasz sollte ihr nach den Fügungen Gottes in den letzten Lebensstunden helfen.
Alle jungen Professen standen bereits in den ihnen bestimmten Pflichten, während Schwester Faustina noch wartete. Unterdessen kam ein Brief aus dem Wilnaer Haus mit der großen Bitte um eine Schwester für den Garten. Die einzige entsprechende Kandidatin für diesen Platz war zum gegebenen Zeitpunkt Schwester Faustina. Daher rief ich sie nach einigen Tagen des Zögerns zu mir und erzählte von diesem Plan, wobei ich hinzufügte: Sie wissen, Schwester, wie sehr ich wünschte, dass Sie hier bleiben, aber es geht nicht. Darauf antwortete sie einfach, dass sie sehr gerne gehe und darauf vertraue, dass sie auch dort einen Seelenführer finden werde. In der Tat fand sie Prof. Sopoćko, der sehr zur Entwicklung der Andacht an die Barmherzigkeit Gottes beitrug.
Gleich nach der Ankunft in Wilna machte sie sich eifrig an die Arbeit im Garten. Sie war eigentlich fachlich nicht vorbereitet, aber indem sie sich mit den Gärtnern beriet, erzielte sie bei ihrer angeborenen Intelligenz großartige Resultate. Einmal führten wir Gäste aus höheren Regierungskreisen herum, die die Anstalt besichtigen wollten. Eine der Damen sagte zu mir: Hier haben die Schwestern wirklich eine Expertin als Gärtnerin!
Prof. Sopoćko, der damalige Beichtvater der Schwestern in Wilna, interessierte sich für Schwester Faustina und bat mich, sie zum Arzt zu schicken, um ihr Nervensystem und ihren psychischen Zustand von ihm untersuchen zu lassen, und als die Arztvisite positiv ausfiel, verständigte er sich mit der Oberin des damaligen Hauses, M. Irena Krzyżanowska, was das Malen des Bildes anbelangte. Ich freute mich herzlich, als ich diese Angelegenheit in der Hand des Kaplans sah. Das Bild führte, wie bekannt, der Maler Kazimirowski nach den Anweisungen der Schwester aus. Der Künstler machte auch kleine Skizzen, zu diesem Schluss komme ich, weil Schwester Faustina mir später eine solche nach Warschau mitbrachte, als sie 1936 aus Wilna zurückkehrte und darum bat, es in der inneren Hauskapelle oder im Saal der Kongregation aufzuhängen, wobei sie hinzufügte, dass Jesus dies wünsche. Ich erklärte ihr jedoch, dass ein so ungewöhnliches Bild die Schwestern in Erstaunen setzen würde, und es wäre schließlich schwierig, allen seine Entstehung zu erklären. Die Skizze legte ich daher ins Archiv, wo sie während des [Warschauer] Aufstands mit dem ganzen Haus verbrannte.
In ähnlicher Weise erledigte ich die Angelegenheit des Rosenkranzes an die Barmherzigkeit Gottes. Als Schwester Faustina sich mir anvertraute, dass Jesus sie einen neuen Rosenkranz gelehrt habe, hörte ich aufmerksam zu und antwortete nicht oder sagte vielleicht ein gleichgültiges Wort – ich erinnere mich nicht. Nach einiger Zeit kam sie wieder mit dem Vorschlag, mir diesen Rosenkranz aufzuschreiben. Ich habe dieses Kärtchen immer noch. Darin, ihn gemeinsam zu beten, willigte ich jedoch nicht ein, indem ich erklärte, dass wir schließlich in der Zeit der Abendgebete bereits den Rosenkranz an die Barmherzigkeit Gottes beten, wofür sogar mit Ablässe gewährt werden. Sie antwortete darauf: Aber dieser ist anders – und dann war keine Rede mehr davon.
Einmal, in Wilna, wandte sie [Schwester Faustina] sich an mich, dass Jesus wünsche, dass eine Kongregation entstehe, die sich völlig der Ehre der Barmherzigkeit Gottes widme. Es solle ein Klausurorden sein. Obwohl sie dies nicht in Worten ausdrückte, konnte man spüren, dass sie der Meinung war, berufen zu sein, an der Spitze dieser Kongregation zu stehen. Ich nahm dies als ein verschwommenes Projekt, das in weiter Ferne lag, und drückte Zweifel aus, ob dieser Gedanke völlig von Gott kam und ob Schwester Faustina diese Eingebung richtig verstanden hatte (als Beispiel eines solchen irrtümlichen Verständnisses führte ich den hl. Franziskus von Assisi an, der, als er die Worte Erneuere meine Kirche gehörte hatte, mit dem Wiederaufbau der Kirche St. Damian begann), dass man also beten, sich Gedanken machen und warten müsse.
Vorläufig wurde es ruhiger um die Sache, aber nicht für lange, weil die Schwester von ihr beansprucht war und bei der nächsten Gelegenheit wieder auf dieses Thema zurückkam. Angesichts der erneuten Forderungen nahm ich einen entschiedeneren Standpunkt ein, insbesondere, weil hier ins Spiel kam, dass die Schwester die Kongregation verlassen wollte. Ich sagte ihr daher, dass ich als Generaloberin für die Berufung der Schwestern verantwortlich sei und deshalb ihrem Plan ohne reifliche Überlegung und ohne die Vergewisserung, dass dies der Wille Gottes sei und keine Versuchung des Satans, nicht zustimmen könne. Dass vielleicht eben ein böser Geist sie in die Welt zerren wolle und sie dann nicht mehr Schwester Faustina sei, sondern nur noch Helena Kowalska. Ich sagte damals: Ich habe in diesem Moment keine besondere Eingebung, wie sie, Schwester, ich bitte also, zu beten, dass mir Gott eine solche Erleuchtung zuteil werden lässt, als äußeres oder inneres Zeichen.
Wir sprachen einige Male über dieses Thema. Und einmal ging sie traurig weg: Ist also das, was ich in der Seele höre, nur eine Täuschung? Mit aufrichtiger Überzeugung entgegnete ich: Nein, Schwester, ich spüre, dass Sie ein großes Licht von Gott haben, aber man kann immer etwas hinzufügen. Dass eine solche Kongregation entstehen soll, ist möglich, ob Sie jedoch die Stifterin sein sollen, daran zweifle ich sehr. Warten wir also.
Sie litt sehr. Es war zu sehen, wie viel sie der Gedanke kostete, unsere Kongregation zu verlassen, die sie aufrichtig liebte (sie wollte, dass ihre jüngere Schwester bei uns eintritt), andererseits meinte sie, dem Willen Gottes folgen zu müssen, deshalb waren diese paar Jahre vielleicht die schwerste Phase ihres Lebens. Damals war sie oft traurig und niedergeschlagen, aber immer an ihrem Platz und bei der Pflicht.
Da ich wollte, dass sie ihr Gleichgewicht zurückgewinnt, und dabei diese Situation zu unterbinden wünschte, versetzte ich sie im Frühjahr 1936 im Einverständnis mit den Ratgeberinnen aus Wilna nach Krakau. Unterwegs hielt sie sich einige Wochen in Walendów auf, später in Derdy, wo sie aus verschiedenen Gründen gebraucht wurde. Es frappierte mich damals, dass die Schwestern in diesen beiden Häusern von ihr bezaubert waren und den Wunsch hatten, dass sie bei ihnen bleiben sollte. Sie erbaute sie mit ihrem Verhalten.
In „Józefów” wurde sie [Schwester Faustina] zur Arbeit im Garten eingeteilt, aber ihre Gemütsstimmung unterlag keiner Veränderung. Sie wurde ständig von Zweifeln gequält: ob sie in der Kongregation bleiben oder eine neue gründen sollte. Sie stand immer im Briefwechsel mit Prof. Sopoćko, der sie auch besuchte und sich über Angelegenheiten der Seele mit ihr besprach, aber nur von Zeit zu Zeit, denn hier, an Ort und Stelle, in „Józefów” beriet sie sich mit P. Andrasz.
Nach einiger Zeit traten bei ihr Anzeichen einer Lungenkrankheit auf, daher wurde sie im Herbst in den Sanitäranstalten in Prądnik untergebracht. Auf ärztlichen Rat verbrachte sie dort den Winter und der Gesundheitszustand verbesserte sich, so dass man ihr erlaubte, nach Hause zurückzukehren. Und sie half wieder im Garten.
Sie sagte mir, dass sie erwarte, mit einer gewissen Person zusammenzutreffen, von der Prof. Sopoćko meine, dass sie sich für die neue Kongregation eigne und die nach Łagiewniki komme sollte. Sie erhielt die Erlaubnis dazu, aber es kam nicht zu dieser Begegnung.
Als ich 1937 zu einer Visitation ins Krakauer Haus zu reisen hatte, fragte ich die Schwestern Ratgeberinnen auf der Ratsversammlung, ob es nicht angezeigt sei, Schwester Faustina das Verlassen der Kongregation zu erlauben, wenn sie weiterhin in ihrer Unruhe verharren sollte. Die Rätinnen gaben ihr Einverständnis. Es tat uns Leid, eine gute und inbrünstige Schwester zu verlieren, aber wir fürchteten uns, dem Willen Gottes zuwider zu handeln.
Ich traf die Schwester [Faustina] ruhig an, als sie jedoch zum Gespräch zu mir kam, erneuerte sie ihre Bitte sofort. Gemäß unserem Beschluss antwortete ich ohne zu überlegen, dass ich einverstanden sei. Ich bemerkte, dass es sie überraschte, und sie fragte, ob ich die Durchführung der notwendigen Formalitäten vornehmen werde. Auf meine Antwort, dass ich nicht wüsste, wie ich ihren Wunsch, die Kongregation aufgrund von Offenbarungen zu verlassen, begründen solle, bat sie, zu P. Andrasz zu gehen, der jedoch – wie sich herausstellte – damals vorübergehend nicht zugegen war. Natürlich erlaubte ich es und wir trennten uns.
Am Nachmittag desselben Tages fuhr ich für einige Tage in unser Haus in Rabka, und als ich zurückkam, verfolgte ich mit Interesse das weitere Verhalten von Schwester Faustina. Verwundert bemerkte ich, dass sie ihre alltäglichen Pflichten so erfüllte, als sei nichts geschehen. Ich wartete also ein wenig, dann rief ich sie herbei und fragte sie, wie die Sache stehe. Darauf antwortete die Schwester aufrichtig und schlicht, dass sie in dem Moment, in dem sie von mir Handlungsfreiheit bekommen habe, sich in der Seele gleichsam wie in einem schwarzen Abgrund fühle, völlig allein und verlassen, unfähig einen solchen Schritt zu tun, dass sie der Gedanke, aus der Kongregation auszutreten, verlassen habe. Wir unterhielten uns noch herzlich über dieses Thema und seit dieser Zeit wurde diese Angelegenheit zwischen uns nicht mehr berührt. Heute scheint es mir, dass ich diese plötzlichen Dunkelheiten der Seele als das Zeichen von Gott betrachten kann, auf das wir warteten.
Im Herbst 1937 begann sich der Gesundheitszustand von Schwester Faustina wieder zu verschlechtern – sie wurde vom Garten an die Pforte versetzt. Dort war sie sehr höflich, nett und gut zu den Armen. Als die Krankheit voranschritt, musste man sie zusammen mit Schwester Fabiola, die auch lungenkrank war, von den anderen Schwestern isolieren. Gott ließ es zu, dass die damalige Ordenskrankenschwester noch aus der Zeit von Wilna den Erlebnissen der Schwester Faustina, von denen sie schon ein bisschen wusste, keinen allzu großen Glauben schenkte, und die Schwester, die die Kranken bediente, hatte große Angst davor, sich mit der Tuberkulose anzustecken. Dadurch haperte es bisweilen mit der Pflege der Kranken, wie ich später erfuhr. Schwester Faustina beklagte sich jedoch nicht, erst als ich im Frühjahr aus Warschau kam, erwähnte sie dies, wobei sie hinzufügte, dass sie nur etwas sage, um in Zukunft ähnlichen Fällen vorzubeugen. Die nächste Ordenskrankenschwester umgab die Kranke mit sehr herzlicher Fürsorge.
In der Osterzeit des Jahres 1938 wurde sie [Schwester Faustina] wieder nach Prądnik gebracht, weil dieser Aufenthalt ihr schon einmal gut getan hatte. Im Sanatorium hinterließ sie, wie beim ersten Mal, den allerbesten und sehr aufbauenden Eindruck, sowohl unter den Kranken als auch unter den Krankenschwestern und Ärzten. Dort sahen wir uns auch zum letzten Mal. Ich war im Juli in „Józefów”, und als ich hörte, dass die Krankheit schnell voranschreite, fuhr ich sie besuchen. Diese letzte Begegnung hinterließ den angenehmsten Eindruck in meiner Erinnerung. Die Schwester freute sich außerordentlich. Sie erzählte mir lebhaft verschiedene Episoden aus ihrem Krankenhausleben und die Stunde, die ich zwischen zwei Autobussen zur Verfügung hatte, verging wie eine Minute. Wir berührten ihre inneren Angelegenheiten nicht besonders, nur – kurz vor der Trennung – sagte sie freudig: Ach, Mütterchen, was für schöne Dinge erzählt mir Jesus und, indem sie zur Seite zeigte, wo ihre Notizen lagen, fügte sie hinzu. Sie werden das alles lesen, Mütterchen. Ich fand sie elend vor, sie machte jedoch nicht den Eindruck einer Schwerkranken – sie ging in die Liegehalle und in die Kapelle. Im August wurde mir nach Warschau gemeldet, dass sich ihr Zustand verschlechtere. Ich schrieb daher eine vertrauliche Mitteilung an Sie, um ihr einen Beweis des Mitgefühls und der Erinnerung zu geben, und erwähnte, dass Prof. Sopoćko auf der Synode in Częstochowa sein und sie bei dieser Gelegenheit bestimmt besuchen wird. Offensichtlich bereiteten ihr diese paar Worte große Freude, weil sich diese vertrauliche Mitteilung nach ihrem Tode zwischen den Notizen und Briefen von den geistigen Patern in der Schatulle befand und sie mir als Antwort einen schönen Brief schickte, den ich anführe. Er ist ohne Datum, wurde aber Ende August 1938 geschrieben.
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J.M.J.
Teuerstes Mütterchen.
Herzlichen Dank für Ihre vertrauliche Mitteilung, die so angenehm für mich war, und auch für die Nachrichten über Professor Sopoćko, es ist wirklich ein heiliger Priester.
Teuerstes Mütterchen, es kommt mir so vor, als wäre dies unser letztes Gespräch auf Erden. Ich fühle mich sehr schwach und schreibe mit zitternder Hand. Ich leide so viel, wie ich zu ertragen vermag. Jesus gibt nicht mehr auf, als man tragen kann. Wenn die Leiden groß sind, dann ist auch die Gnade Gottes mächtig. Ich bin völlig auf Gott und Seinen heiligen Willen eingestellt. Mich erfasst eine immer größere Sehnsucht nach Gott. Der erschreckt mich nicht, meine Seele ist von großem Frieden erfüllt.
Ich halte noch alle geistigen Übungen ab und stehe zur heiligen Messe auf, aber ich bin nicht bei der ganzen Messe, denn mir wird unwohl, aber wenn ich es kann, dann nutze ich die Gnaden, die uns Jesus in Seiner Kirche hinterlassen hat.
Teuerstes Mütterchen, ich danke mit einem Herzen, das von großer Dankbarkeit für alles erfüllt ist, was ich in der Kongregation erfuhr, vom ersten Augenblick des Eintritts bis heute. Ich danke Ihnen besonders für das aufrichtige Mitgefühl und die Anweisungen in schweren Stunden, von denen ich meinte, dass ich sie nicht überleben würde. Möge Gott es reichlich vergelten.
Jetzt aber bitte ich Sie, teuerstes Mütterchen, im Geiste klösterlicher Erniedrigung um Verzeihung für die ungenaue Einhaltung der Regeln, für das schlechte Beispiel, das ich den Schwestern gab, für die fehlende Inbrunst im ganzen Ordensleben, für alle Unannehmlichkeiten und Leiden, die ich Ihnen, Mütterchen vielleicht zugefügt habe – wenn auch unabsichtlich. Ihre Güte, liebes Mütterchen, hat mir in schweren Stunden Kraft gegeben.
Im Geiste knie ich zu Ihren Füßen, teuerstes Mütterchen, und bitte demütig um Vergebung für alle meine Vergehen, und ich bitte um Ihren Segen für die Stunde des Todes.
Ich habe Vertrauen in die Macht Ihrer Gebete, Mütterchen, und der der lieben Schwestern. Ich spüre, dass mich irgendeine Kraft unterstützt.
Ich bitte um Verzeihung, dass ich so unschön schreibe, aber mir zittert die Hand, und sie wird steif.
Auf Wiedersehen, teuerstes Mütterchen, wir sehen uns im Himmel am Fuße von Gottes Thron. Jetzt aber möge in uns und durch uns die Barmherzigkeit Gottes gerühmt werden.
Mit der größten Verehrung küsse ich Ihnen, teuerstes Mütterchen, die Hände und bitte um Ihr Gebet.
Das größte Elend und Nichts, Schwester Faustina
Sechs Wochen später lebte Schwester Faustina nicht mehr! Drei Wochen vor ihrem Tod kehrte sie nach Prądnik nach Hause zurück, um inmitten der Ordensschwestern zu sterben, und am 5. Oktober berief der Barmherzige Jesus sie zu sich.
M. Michaela Moraczewska
„Józefów”, 1948
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Veröffentlichung in:
„Botschaft der Barmherzigkeit“, Nr. 25, 26, 27, 28, 29, 30,31
Übersetzt von Sabine Lipinska