Der Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes
(gebetet auf einem einfachen Rosenkranz)
Am Anfang:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, Seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und an das ewige Leben. Amen.
Große Perlen (1x):
Ewiger Vater, ich opfere Dir auf den Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit Deines über alles geliebten Sohnes,
unseres Herrn Jesus Christus, zur Sühne für unsere Sünden und die Sünden der ganzen Welt.
Kleine Perlen (10x):
Durch Sein schmerzhaftes Leiden
habe Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.
Zum Schluss (3x):
Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, habe Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.
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Imprimatur: Jan Szkodoń, Weihbischof von Krakau
Krakau, den 21. Oktober 2008
Genese und richtige Verwendung
Dieses Gebet ist eine besondere Gabe Gottes für unsere Zeit. Jesus diktierte es Schwester Faustina in Wilna am 13./14. September 1935. Am Freitag, den 13. September, hatte Schwester Faustina in ihrer Zelle die Vision eines Engels, der gekommen war, um die Erde für ihre Sünden zu strafen. Als sie dieses Zeichen von Gottes Zorn sah, bat sie den Engel, eine Weile innezuhalten und die Welt werde Buße tun. Als sie jedoch vor der Herrlichkeit der Heiligen Dreifaltigkeit stand, wagte sie nicht, ihre Bitte zu wiederholen. Erst als sie in ihrer Seele die Macht der Gnade Jesu spürte, begann sie mit Worten zu beten, die sie in ihrem Inneren hörte. Als ich so betete – notierte sie im „Tagebuch“ sah ich die Ohnmacht des Engels, der die gerechte Strafe, die für die Sünden fällig war, nicht mehr ausüben konnte (TB 475).
Am nächsten Tag, als sie in die Kapelle ging, belehrte Jesus sie noch einmal, auf welche Weise dieses Gebet, das wir als Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes bezeichnen, zu beten ist. Zuerst ein „Vater unser“ und ein „Gegrüßet seist Du, Maria“ und das Glaubensbekenntnis, anschließend – an den Vaterunser-Perlen – die Worte: Ewiger Vater, ich opfere Dir den Leib und das Blut auf, die Seele und die Gottheit Deines geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, als Sühne für unsere Sünden und die der ganzen Welt. An den „Gegrüßet-seist-Du-Maria“ – Perlen wirst du wie folgt beten: Um Seines schmerzhaften Leidens willen habe Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt. Zum Schluss wirst du dreimal die Worte wiederholen: Heiliger Gott – Heiliger Starker – Heiliger Unsterblicher – erbarme Dich unser und der ganzen Welt (TB 476).
Eine solche Gebetsformel ist für den individuellen und gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmt. Wer auch immer bei der individuellen Rezitation die Plural in einen Singular umwandeln würde – „unsere Sünden“ in „meine Sünden“, „habe Erbarmen mit uns“ in „habe Erbarmen mit mir“ – würde entgegen dem Willen Jesu handeln – schreibt Prof. Różycki – und das, was er rezitieren würde, wäre nicht mehr der Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes, weil „wir“ in dieser Formel den Rezitierenden und all diejenigen bedeutet, für die er speziell betet, während „die ganze Welt“ alle anderen sind, die Lebenden und die Toten. Indem Jesus fordert, dass derjenige, der den Rosenkranz rezitiert, um Erbarmen „für uns“ und nicht „für mich“ erfleht, bekämpft Er den Egoismus im Gebet und macht aus dem Rosenkranz zur Barmherzigkeit einen Akt opferbereiter Liebe. Im Inhalt des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes darf nicht nur die Zahl nicht geändert werden, es dürfen überhaupt keine Änderungen durch das Hinzufügen oder Weglassen von Worten vorgenommen werden.
In der Praxis der Verbreitung und Verwendung dieses Gebets begegnet man jedoch vielen Inkorrektheiten. Am häufigsten werden verschiedene Wörter oder Sätze hinzugefügt, z. B. habe Erbarmen mit uns, mit dem Heiligen Vater, mit … und der ganzen Welt oder für Sein schmerzhaftes Leiden, für die sieben Schmerzen der Mutter Gottes, habe Erbarmen … oder Ehre dem Vater und dem Sohn, die nach Ich glaube an Gott eingeschoben werden. Es kommt auch vor, dass im Inhalt des Rosenkranzes, der von Jesus diktiert wurde, bestimmte Worte ausgelassen werden, dass z. B. am Schluss die Worte „und mit der ganzen Welt“ nicht gebetet werden und man sich auf die Formel aus der Supplikation beschränkt. Alle Änderungen, „Hinzufügungen“ oder das Weglassen von Worten aus dem Inhalt des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes bewirken eine Bedeutungsänderung und infolgedessen sprechen wir bereits ein anderes Gebet, nicht das von Jesus diktierte. Dieses Gebet soll auch nicht nach dem Vorbild des Rosenkranzes gebetet werden und die einzelnen Zehnergruppen nicht durch Betrachtungen, Fürbitten oder was für Texte auch immer getrennt werden. Fürbitten oder Betrachtungstexte sollten am Anfang kommen, vor dem Text des Rosenkranzes, damit dieser als Ganzes in der Form gebetet wird, wie sie Jesus angab. In der polnischen Formel des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes ist nur die Umstellung der Worte „ganze“ und „Welt“ zulässig, weil diese keine meritorische Änderung bewirkt und der polnischen Syntax besser entspricht. Der Rosenkranz in dieser Textfassung hat das Imprimatur der Kirche.
Die theologische Bedeutung
Der Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes hat einen äußerst reichen Inhalt, deshalb lohnt es sich, bei der Bedeutung der einzelnen Wörter und Formulierungen zu verweilen. Das ganze Gebet ist an Gott Vater gerichtet, dem wir Seinen geliebten Sohn aufopfern, als Sühne für unsere Sünden und die Sünden der ganzen Welt, und für die Verdienste Seines schmerzhaften Leidens bitten wir um Barmherzigkeit mit uns und mit der ganzen Welt. Wenn wir dieses Gebet sprechen, nehmen wir am allgemeinen Priestertum Christi teil, indem wir Gott Vater Seinen liebsten Sohn aufopfern, zur Sühne für unsere Sünden und die Sünden der ganzen Welt.
Um die inhaltliche Bedeutung des Rosenkranzes gab es seinerzeit einen theologischen Streit, der die Richtigkeit und, was daraus folgt, die übernatürliche Herkunft dieses Gebets betraf. Prof. Wincenty Granat, der ehemalige Rektor der Katholischen Universität Lublin (KUL) war der Ansicht, dass der Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes theologische Fehler enthält und somit nicht von Gott stammen kann. Auf einem Symposium, das der Thematik der Barmherzigkeit Gottes gewidmet war, hielt er ein Referat, in dem er schrieb: Im oben genannten Gebet gibt es wesentliche theologische Fehler: erstens ist die Gottheit des Sohnes dieselbe wie die Gott Vaters, kann also nicht dem Ewigen Vater geopfert werden; zweitens ist es nicht erlaubt, die Gottheit zum Opfer zu bringen oder überhaupt wie auch immer zu opfern; drittens kann sie keine Sühne für Sünden sein, weil die Gottheit, also Gott, die Sünden erlässt, aber kein Sühneopfer ist; nur in seiner menschli- chen Natur ist der Erlöser ein Sühneopfer für unsere Sünden.
Diese Streitfrage löste Prof. Ignacy Rozycki, indem er erläuterte, dass der Sinn der Formulierung den Leib und das Blut (…), die Seele und die Gottheit (…) unseres Herrn Jesus Christus im Ganzen zu suchen sei, man dürfe das Wort Gottheit allein nicht aus dem Kontext reißen. Nur im Kontext – schreibt Prof. Rozycki – kann man (…) den Schlüssel finden [für die richtige Interpretation dieser Worte], wie dies die Grundregel jedes Kritizismus erfordert. Man würde sich also ernstlich den Prinzipien wissenschaftlicher Interpretation widersetzen; man würde den Sinn, den der Erlöser dieser Formel geben wollte, brutal verfälschen und es käme zu einem theologischen Absurdum, wenn man – ohne Berücksichtigung des Kontextes – das Wort „Gottheit“ als „göttliche Natur“ erklären würde, weil es selbstverständlich ist, dass die göttliche Natur Jesu Christi identisch mit der Natur des Vaters ist und Ihm aus diesem Grund nicht geopfert werden kann.
Die Formel, um die sich der Streit drehte, tauchte nicht zum ersten Mal im Inhalt des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes auf, sondern wurde in der Kirche schon seit längerer Zeit im eucharistischen und christologischen Kontext verwendet. Der wichtigste und feierlichste eucharistische Kontext – bemerkt Prof. Różycki – ist die dogmatische Definition der eucharistischen Gegenwart des ganzen Jesus, die durch das Trienter Konzil zum Ausdruck gebracht wurde, in der „Gottheit“ nicht göttliche Natur bedeutet, die den drei Personen gemeinsam ist. Sie bedeutet unmittelbar – d. h. genau, streng genommen – die göttliche Person Jesu. Dieselbe Forme im eucharistischen Kontext tauchte im Gebet auf, das im Jahre 1916 den Kindern in Fatima von einem Engel diktiert wurde. Somit opfern wir, wenn wir den Rosenkranz beten, nicht die Gottheit Jesu selbst, sondern Seine ganze Person, d. h. sowohl Seine göttliche Persönlichkeit als auch das ganze Menschentum, das aus Leib, Blut und Seele besteht.
Es kann sich jedoch die Frage stellen, ob die ganze Person des Mensch gewordenen Sohnes Gottes Gott aufgeopfert werden kann. Und diese Frage beantwortet Prof. Różycki positiv, unter Berufung auf den Brief des hl. Paulus an die Epheser, in dem es heißt, dass Christus sich selbst bei der Erfüllung Seiner Sendung als Erster hingegeben hat als Gabe und als Opfer (Eph 5, 2). Aus diesem Paulustext – schreibt Prof. Różycki – geht hervor, dass der Gegenstand des Opfers, das Gott Vater durch Christus dargebracht wurde, Er selbst als Ganzer war, d. h. Sein völliges Menschentum und Seine göttliche Person. Daher vereinen wir uns, wenn wir die Worte des Rosenkranzes sprechen, mit dem Opfer Jesu am Kreuz, das von Ihm für unsere Erlösung dargebracht wurde. Wenn wir die Worte Deines geliebten Sohnes sprechen, berufen wir uns auf die Liebe, die Gott Vater Seinem Sohn schenkt, und in Ihm allen Menschen. Wir nehmen Zuflucht – schreibt Prof. Różycki – zum stärksten Beweggrund, von Gott erhört zu werden.
Im Rosenkranz bitten wir um Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt. Das Pronomen uns bedeutet die Person, die diesen Rosenkranz spricht, und alle, für die sie bittet und zu bitten verpflichtet ist. Die ganze Welt hingegen – das sind alle Menschen, die auf der Welt leben, und die Seelen, die im Fegefeuer leiden. Wenn wir also den Text des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes treu beten, dann erfüllen wir zugleich einen Akt der Barmherzigkeit gegenüber den Nächsten, der eine Bedingung dafür ist, von Gott Erbarmen zu erlangen.
Die Versprechen
Mit diesem Gebet verknüpfte Jesus große Versprechen unter der Bedingung, dass die Andacht zur Barmherzigkeit Gottes richtig praktiziert wird, also im Geiste des Vertrauens gegenüber Gott und der Barmherzigkeit gegenüber den Nächsten. Ausdruck dieses Vertrauens ist die Ausdauer im Gebet; je größer das Vertrauen, desto größer die Ausdauer beim Beten des Rosenkranzes. Jesus sprach zur Schwester Faustina, dass man durch diesen Rosenkranz alles erbitten kann, Er behauptete jedoch niemals, dass dies sofort und nach einmaligen Beten der Fall sei, mit der Ausnahme eines guten Todes. In ihrem „Tagebuch“ beschreibt Schwester Faustina solche Situationen, in denen ihre Bitte nach einmaligem Beten erhört wurde, z. B. das Beruhigen eines Gewitters (TB 1731), aber auch solche, in denen sie dieses Gebet unablässig viele Stunden betete, um z. B. Regen zu erbitten (TB 1128). Wenn sie bei Sterbenden betete, genügte manchmal das einmalige Beten des Rosenkranzes, um die Gnade eines glücklichen und ruhigen Todes zu erbitten, ein andermal musste sie viele Male gebetet werden, weil die Seele starke Hilfe im Gebet nötig hatte (TB 1035).
Mit dem vertrauensvollen Beten des Rosenkranzes zur Barmherzigkeit Gottes verknüpfte Jesus das Versprechen des Erbittens aller Gnaden, als Er sprach: Mir gefällt es, ihnen durch dieses Gebet alles zu schenken, worum sie Mich bitten (TB 1541), wobei Er hinzufügte: wenn das (…) mit Meinem Willen übereinstimmt (TB 1731). Der Wille Gottes ist Ausdruck Seiner Liebe zum Menschen, somit ist alles, was ihm nicht entspricht, entweder schlecht oder schädlich, und deshalb kann es vom besten Vater, der einzig und allein das Wohl des Menschen aus der Perspektive der Ewigkeit wünscht, nicht gewährt werden. In diesem allgemeinen Versprechen geht es nicht nur um übernatürliche Gnaden, sondern auch um irdische Wohltaten.
Besondere Versprechen betreffen die Stunde des Todes, genauer gesagt die Gnade eines glücklichen und ruhigen Todes, also im Zustand der Gnade ohne Angst und Schrecken. Diese Gnaden können sich nicht nur diejenigen erbitten, die selbst vertrauensvoll diesen Rosenkranz beten, auch all diejenigen, bei denen andere seine Worte beten werden, können sie empfangen. Jede Seele, die diesen Rosenkranzgebet betet – versprach Jesus – verteidige Ich in der Stunde des Todes wie Meine Ehre. Auch wenn andere bei einem Sterbenden so beten, erhält er den gleichen Ablass. Wenn dieses Gebet bei Sterbenden gebetet wird, besänftigt sich der Zorn Gottes und unergründliche Barmherzigkeit umfängt die Seele (TB 811). Die Gnade eines guten Todes, also Bekehrung und Erlassung der Sünden verspricht Jesus sogar nach dem einmaligen Beten des ganzen Rosenkranzes im Geiste der Andacht zur Barmherzigkeit Gottes, also in einer Haltung des Vertrauens gegenüber Gott (des Glaubens, der Liebe, der Demut sowie der aufrichtigen und tiefen Reue über die Sünden) und der Barmherzigkeit gegenüber den Nächsten. Sollte es der verstockteste Sünder sein – sprach Er – falls er nur einmal diesen Rosenkranz betet, wird ihm die Gnade Meiner unendlichen Barmherzigkeit zuteil (TB 687).
Die Größe der Gnaden, die mit diesem Gebet verknüpft sind, bringen die Worte Jesu zum Ausdruck, die Er gegenüber Schwester Faustina äußerte: Durch das Beten des Rosenkranzes zur Göttlichen Barmherzigkeit bringst du die Menschheit näher zu Mir (TB 929). Die Priester sollen ihn den Sündern als letzten Rettungsanker reichen (vgl. TB 687).
Sr. M. Elżbieta Siepak ISMM
Die vollständige theologische Analyse befindet sich in:
Prof. Ignacy Różycki: Nabożeństwo do Miłosierdzia Bożego [Andacht zur Barmherzigkeit Gottes], Kraków 2008, S. 105-115.
Übersetzt von Sabine Lipińska
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