Die Schutzpatronin der Kongregation ist die Mutter der Barmherzigkeit, die im Bildnis Marias mit ausgetreckten Armen dargestellt ist – besagt eine Eintragung in den Ordenskonstitutionen (Art. 11). Diese ausgestreckten Arme Marias sind voller Gnaden und Gaben, mit denen Sie die Menschen beschenken möchte, und die erste und größte unter ihnen ist der Sohn Gottes – die Mensch gewordene Barmherzigkeit. Die Figur der Muttergottes der Barmherzigkeit übernahmen die Schwestern aus Frankreich (Laval), woher sie die Vorbilder für das Ordensleben und die apostolischen Arbeit nahmen. Im Hauptaltar der Kapelle der Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit in Laval wurde (und wird weiterhin) eine Figur Marias ohne Jesuskind verehrt, deren Arme den Menschen entgegengestreckt sind (lange vor der Offenbarung des Gnadenmedaillons, auf dem Maria in ähnlicher Weise dargestellt ist). Die Gründerin der Kongregation M. Teresa Ewa Potocka, eine geborene Fürstin Sułkowska, brachte nicht nur Abschriften der französischen Konstitutionen der Kongregation und Grundsätze für die Führung eines apostolischen Werkes mit Mädchen und Frauen, die einer tiefen moralischen Erneuerung bedurften, mit nach Polen, sondern bemühte sich auch, den Geist und die Gepflogenheiten, die in der französischen Kongregation herrschten, treu wiederzugeben. Daher übernahm sie die in Frankreich verehrten Marienfiguren als Mutter der Barmherzigkeit. Diese schmücken bis heute die Kapellen und Klöster der Kongregation.
In der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts prüfte das Generalkapitel der Kongregation den Antrag, die Mutter der Barmherzigkeit aus dem Gnadenbild im Ostra Brama-Tor in Wilna als Schutzpatronin annehmen zu dürfen. Das Auftauchen eines solchen Gedankens war zweifellos mit der Popularität des Kultes der Mutter der Barmherzigkeit des Ostra Brama-Tores verbunden, vielleicht auch mit seinen polnischen Wurzeln und der Präsenz der Kongregation in Wilna auf dem Antakol sowie der völligen Loslösung der Kongregation in Polen von Laval, die im Jahre 1922 nach 44 Vikariatsjahren (Abhängigkeit von der Generaloberin in Frankreich) erfolgte. Infolge einer Abstimmung entschieden sich die Schwestern jedoch bei den französischen Wurzeln festzuhalten, also am Bildnis der Maria als Mutter der Barmherzigkeit, wie sie in der Figur mit ausgestreckten Armen dargestellt war. Bilder der Muttergottes der Barmherzigkeit des Ostra Brama-Tores befinden sich im Heiligtum der Barmherzigkeit Gottes in Krakau-Łagiewniki, in der Klosterkapelle der Passion Christi und in der Basilika der Barmherzigkeit Gottes, aber auch in der Kapelle der Kongregation in Danzig.
Im Jahre 1937 wurden anlässlich der Wahl Marias der Mutter der Barmherzigkeit Gedenkbildchen gedruckt, die Maria darstellten, wie Sie auf der einen Seite die Schwestern und auf der anderen Seite die Zöglinge in ihren Schutzmantel hüllte. Auf der Rückseite war ein Gebetsakt abgedruckt, für dessen Sprechen man einen teilweisen Ablass erhalten konnte. Als der Akt der Wahl Marias zur himmlischen Generaloberin der Kongregation am 15. August 1937 in den einzelnen Klöstern vollzogen wurde, sah ich zum Schluss – so notierte es Schwester Faustina – die Heilige Jungfrau. Sie sagte mir: „Die Huldigung eurer Liebe freut Mich sehr.“ Im selben Augenblick umhüllte Sie alle Schwestern unserer Kongregation mit Ihrem Mantel. Mit der rechten Hand drückte Sie die Mutter Generaloberin an Sich und mit der linken mich. Alle anderen Schwestern waren ihr zu Füßen, von Ihrem Mantel umhüllt (TB 1244). Diese Ereignisse erlaubten eine Anknüpfung an den ältesten ikonographischen Typus Marias, der seit dem 13. Jahrhundert in vielen Ländern Westeuropas verbreitet war. In den letzten Jahren kamen in den Klöstern der Kongregation (in Krakau, in der Kapelle in Zakopane) Bilder der Mater Misericordiae mit dem ausgebreiteten Schutzmantel auf.
Bearbeitet von Sr. M. Elżbieta Siepak ISMM
Übersetzt von Sabine Lipińska