Mutter Teresa
Ewa Sułkowska Gräfin Potocka
(1814-1881)
Stifterin der Kongregation
Sie wurde am 22. Oktober 1814 in als viertes von fünf Kindern des Fürsten Antoni Paweł Sułkowski und seiner Gemahlin Ewa Kicka geboren. Bei der heiligen Taufe erhielt sie den Namen Ewa. Nach dem Tod der Mutter im Schloss in Rydzyna blieb sie in der Obhut des Vaters, der dafür sorgte, dass die Kinder im Geiste christlicher und patriotischer Werte erzogen und ausgebildet wurden. Im Jahr 1838 heiratete sie den Grafen Władysław Potocki aus Chrząstów bei Częstochowa. Nach dessen Tod wollte sie sich, da die Ehe kinderlos geblieben war, völlig Gott widmen und Werke der Barmherzigkeit stiften. Auf den Rat ihres Seelenführers, des Priesters Zygmunt Golian, hin, reiste sie mit zwei Begleiterinnen nach Laval in Frankreich, um sich unter der Leitung von M. Thérèse Rondeau mit den Arbeitsmethoden zur Besserung von gefallenen Mädchen und Frauen vertraut zu machen. Nach einem verkürzten Noviziat erhielt sie bei der Einkleidung den Ordensnamen Teresa. Aus Laval brachte sie Erfahrung und Regelungen mit, die dazu dienen sollten, denselben Lebensstil der Schwestern und der apostolischen Arbeit in einer neuen, aber unabhängigen Institution in Polen zu beizubehalten. Nach der Rückkehr ins Heimatland nahm sie die Einladung des Erzbischofs Zygmunt Szczęsny Feliński an und übernahm das „Zufluchtshaus“ in der Żytnia-Straße in Warschau, das am 1. November 1862 geweiht wurde. Dieses Datum gilt als der Beginn des Wirkens der Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit in Polen. Im Jahr 1868 eröffnete M. Potocka ein Haus in Krakau, und 1878 nahm sie den von der Kongregation in Laval vorgebrachten Vorschlag an, beide Ordensfamilien zu vereinigen, um die Bestätigung durch den Heiligen Stuhl zu erlangen. Nach der Erlangung des Anerkennungsdekrets des Heiligen Stuhls verwaltete sie die polnischen Häuser als Verweserin, die von der Generaloberin in Laval abhängig war. Sie starb nach langer Krankheit am 6. Juni 1881 in Wilanów und wurde in der Gruft der Kongregation auf dem Powązki-Friedhof in Warschau beigesetzt.
1. Die Familie der Fürsten Sułkowski
Mutter Teresa Potocka kam in der Familie der Fürsten Sułkowski zur Welt. Ihr Vater, Fürst Antoni Paweł Sułkowski (1785-1836), der Sohn von Antoni und Karolina, einer böhmischen Gräfin aus dem Adelsgeschlecht Bubna-Lititz, erwarb in der Ritterschule in Warschau und an der Universität Göttingen in Deutschland eine solide Ausbildung. Nach der Beendigung seines Studiums kehrte er nach Rydzyna zurück, um den Familienbesitz zu verwalten. Im Alter von 22 Jahren heiratete er Ewa Karolina Kicka (1786-1824).
Ewa Karolina Kicka war im Königsschloss in Warschau aufgewachsen, wo ihr Vater, Onufry Kicki, zuerst dem letzten König Polens, Stanisław August III. Poniatowski, später dessen Neffen, dem Fürsten Józef Poniatowski, als Kämmerer treue Dienste leistete. Ewa Karolina zeichnete sich durch Herzensgüte, Freundlichkeit, Sensibilität, Taktgefühl und ein heiteres Naturell aus.
Die Hochzeit von Antoni Paweł Sułkowski und Ewa Karolina Kicka fand am 14. Januar 1808 in der Heiligkreuzkirche in Warschau statt. Einige Monate später trat Fürst Antoni Paweł in den aktiven Militärdienst ein. In den Jahren 1808-1815 kämpfte er wie viele seiner Landsleute in der Hoffnung, für das polnische Volk die Unabhängigkeit zurückzugewinnen in der Napoleonischen Armee, zuerst als Oberst der Infanterie des Fürstentum Warschaus, dann als Brigadegeneral und Adjutant Alexander I., des Herrschers von Kongresspolen. Aus diesem Grund verbrachte er mehr als die ersten zehn Jahre seiner Ehe oft weit von der Familie entfernt. Während seiner Abwesenheit blieb seine Gemahlin in der Obhut ihrer Eltern im Branicki-Palais in Warschau. Dort kamen auch die vier Töchter von Antoni Paweł und Ewa Karolina zur Welt. 1811 wurde Taida Karolina geboren, ein Jahr später Helena Karolina. Das dritte Kind, die Lieblingstochter von Antoni Paweł (die spätere Mutter Teresa Potocka) kam am 22. Oktober 1814 zur Welt. Das kleine Mädchen wurde schon nach drei Tagen in der Heiligkreuzkirche in Warschau getauft und erhielt die Vornamen seiner Mutter – Ewa Karolina. Die vierte Tochter, Teresa Karolina, wurde 1815 geboren. 1818 kehrte der General endgültig zu seiner Familie zurück und nahm seinen ständigen Wohnsitz im Schloss in Rydzyna, wo 1820 August (Gustlik) zur Welt kam, der einzige Sohn von Ewa Karolina und Antoni Paweł.
2. Kindheit und Jugend
Antoni Paweł und Ewa Karolina brachten ihren Kindern große Liebe entgegen. Sie erzogen sie in einer Atmosphäre gegenseitiger Achtung und familiärer Harmonie. Die kleine Ewa war die Lieblingstochter des Vaters. In einem der Briefe an seine geliebte Frau schrieb Antoni Paweł: Ewchen hat ganz Deine Seele, und deshalb nimmt sie in meinem Herzen einen besonderen Platz ein. Mit Vergnügen verbrachte er viel Zeit mit seiner kleinen und heranwachsenden Prinzessin. Er vertraute ihr sogar manche geschäftliche Angelegenheiten an, weil er bei ihr eine größere Reife bemerkte als bei ihren Geschwistern und mit ihr große Zukunftshoffnungen verband, was er in einem Brief an seine Gattin erwähnte: Sie wird unser Trost sein. Ewa war ihrem Vater in vieler Hinsicht ähnlich, ganz besonders spiegelte sie jedoch seine Entschlossenheit, Energie und große Entschiedenheit wider. All diese natürlichen Eigenschaften halfen ihr, zusammen mit der großen Gnade Gottes, später die Pläne Gottes mutig zu bejahen und treu auszuführen.
Im Jahre 1824, als Ewa erst 10 Jahre alt war, starb ihre Mutter. Dies war eine sehr traurige Erfahrung, mit der sie sich messen musste. Auch für Fürst Antoni Paweł war der Tod seiner geliebten Frau eine sehr schmerzliche Erfahrung, die zur Folge hatte, dass er lange Zeit in Trauer versunken war. Er ging keine neue Ehe ein, sondern widmete den Rest seines Lebens der Arbeit und der Erziehung der Kinder, wobei er sich bemühte, ihnen Vater und Mutter zugleich zu sein. Bei der Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe half ihm Teresa Kicka, die Schwester seiner verstorbenen Frau. Ewas Vater achtete auf eine vielseitige Entwicklung seiner Kinder, insbesondere auf die Vertiefung des religiösen Lebens sowie die Entwicklung moralischer und intellektueller Werte. Häufig reiste er mit ihnen zu erzieherischen und Erholungszwecken nach Dresden. Er bemühte sich, ihnen nur das Beste zu geben. Und eben ihrem geliebten Vater verdankte Ewa ihre hervorragende Erziehung.
Als Ewa 17 Jahre alt war (im Jahre 1831) erlebte sie den Tod ihrer Großmutter väterlicherseits, der Gräfin Bubna, geb. Baronin Lititz. Einige Jahre später, am 13. April 1836, starb plötzlich im Alter von 51 Jahren, auf einem Stuhl sitzend und die polnische Nationalhymne Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben … singend ihr geliebter Vater Fürst Antoni Pawel, und im Jahre 1839 ihre älteste Schwester Taida.
3. Die Ehe
Im Alter von 24 Jahren fuhr Ewa von Rydzyna nach Dresden, wo ihre Großmutter Karolina lebte. Dort heiratete sie den um ein Jahr jüngeren Grafen Wladyslaw Potocki. Ihre Hochzeit fand am 19. März 1838 in der St. Michaels-Kirche statt in Dresden statt. Die Bekannten wünschten Ewa Glück: Möge die gute, ideale Ewa so glücklich sein, wie sie es verdient, denn sie ist sowohl mit gesundem Menschenverstand begabt als auch mit Klugheit, sie hat ein gutes Herz und ist bereit, die größten Entsagungen hinzunehmen.
Anfänglich wohnte das junge Paar im Familienschloss der Potockis in Chrząstów. Später jedoch zogen sie, um sich von der „Welt“ zurückzuziehen, in ein kleines Besitztum von Władysław in Piotrkowice Małe um, unweit von Krakau. Das Ehepaar wohnte dort in einer schönen, aber schlichten Residenz, in der es eine Kapelle gab, wo ein Priester von Zeit zu Zeit die heilige Messe abhielt. Ewa und Władysław unterhielten einen herzlichen Kontakt zu Paulina Wielopolska, der Schwester von Władysław, und zu deren Gatten, dem Marquis Aleksander Wielopolski aus Warschau. Ewa und Paulina verband seit langem ein geistiges Band, das gemeinsame Streben nach einem Leben in größerer Vertrautheit mit Gott und für Gott. Beide traten dem Dritten Orden des hl. Dominik bei. Ewa erhielt als Terziarerin den Namen Schwester Magdalena de Pazzis, Paulina den Namen Schwester Maria Magdalena.
Die kinderlose Ehe Ewas mit Władysław dauerte 17 Jahre und war von großem Leid geprägt. Der tuberkulosekranke Wladyslaw fuhr oft zur Kur, und Ewa blieb allein zu Hause zurück. Einige Zeit lebten Ewa und Władysław Potocki aus Behandlungsgründen in der Bracka-Straße in Krakau. Damals lernten sie, nach dem Tod des Beichtvaters und Seelenführers, des Priesters Karol Antoniewicz SJ, den Priester Zygmunt Golian (1824-1885) kennen, einen frommen Priester, berühmten Prediger und Beichtvater, der ihnen geistigen Beistand leistete und während der Krankheit Władysławs mit Rat und Tat zur Seite stand. In dem Maße, wie die Krankheit ihres Gatten voranschritt, begriff Ewa dank der Seelenführung durch den Priester Golian, dass ihre Situation kein so großes Unglück war, wie sie am Anfang gemeint hatte. Deshalb war sie später imstande, den Tod ihres Gatten, der am 14. November 1855 im Alter von 41 Jahren in Krakau starb, gläubig und mit erstaunlicher Ruhe anzunehmen. Er wurde auf dem Familienbesitz in Chrząstów beigesetzt.
4. Die Berufung
Nach dem Tod des Gatten zog Ewa von Krakau nach Chrząstow, wo sie bei ihrer Schwester Helena und deren Familie lebte. In dieser Zeit bemühte sie sich intensiv um die Entwicklung ihres geistigen Lebens. Sie verbrachte täglich viele Stunden mit Gebet, Meditation, Gewissenserforschung und der Lektüre asketischer Schriften. Ihr inneres Leben führte Priester Golian, mit dem sie regelmäßig korrespondierte und den sie von Zeit zu Zeit persönlich traf.
In dem Maße, wie sich ihr Gebetsleben vertiefte und das Verlangen nach Einsamkeit wuchs, fiel es ihr schwer, die familiären Pflichten und das gesellschaftliche Leben mit den Erfordernissen des geistigen Lebens zu vereinbaren. Ihr Verlangen war, sich Gott völlig hinzugeben und Ihm auf eine Weise zu dienen, wie es Seinem Willen entsprach. In dieser Zeit las Ewa eine Biographie über Marie Thérèse de Lamourous (1754-1836), der Gründerin, des Hauses der Barmherzigkeit für Mädchen und Frauen, die im französischen Bordeaux einer moralischen Erneuerung bedurften (Prostituierte). Unter dem großen Eindruck dieser Lektüre spürte sie das Verlangen, in die Fußstapfen der Thérèse de Lamourous zu treten und ein ebensolches Werk auf den Gebieten Polens zu beginnen. Mit Hilfe des Priesters Golian und unter seiner Führung bemühte sie sich, den Willen Gottes zur ergründen. Bete – schrieb er ihr in einem seiner Brief – dass Gott uns durch Seine Gnade offenbart, was zu tun ist, damit Er offenbart, wohin Er Dich mehr beruft: ob es ein Haus für Büßerinnen sein soll oder ein Haus der katholischen Erziehung für arme Mädchen. Ich selbst sehe das Erstere, aber ich will, dass Du zu Füßen Jesu Christi selbst ergründest, was zum größeren Ruhme Gottes sein wird und was mit Deiner Berufung übereinstimmend sein wird …
Nachdem sie ergründet hatte, dass Gott sie berief, Mädchen und Frauen zu helfen, die der Prostitution nachgingen, war sie sich weiterhin nicht sicher, auf welche Weise sie dies verwirklichen sollte. Sie hatte zur Wahl, entweder nach Laval (Frankreich) zu reisen, wo Mutter Thérèse Rondeau (1799-1866) das Ordensleben und das Haus der Barmherzigkeit leitete, oder nach Lemberg und sich dort mit den Arbeitsmethoden der Kongregation der Schwester der Vorsehung Gottes vertraut zu machen, deren Apostolat sich am Vorbild des Hauses der Barmherzigkeit in Laval orientierte.
Im Herbst 1861 entschied sich Ewa trotz des Widerstands ihrer Familie, nach Laval zu fahren. Priester Golian riet ihr, sich mit zweien seiner Büßerinnen dorthin zu begeben: mit Tekla Kłobukowska, einer 51-jährigen Witwe, und deren 22-jähriger Tochter Antonina. Er schrieb höchstpersönlich einen Brief an Thérèse Rondeau, in dem er sie um die Aufnahme Ewas und ihrer zwei Begleiterinnen für die Ausbildungsphase bat. Nachdem er eine positive Antwort aus Laval erhalten hatte, schrieb auch Ewa am 22. September 1861 einen Brief an Mutter Rondeau, in dem sie die Bedingungen ihres Aufenthalts im Haus der Barmherzigkeit klar formulierte. In diesem Brief bat sie darum, auf den Rat ihres Seelenführers eine Ausbildungszeit in Laval als zukünftige Stifterin eines ähnlichen Hauses in Polen absolvieren zu dürfen, für dessen Gründung sie einen Teil ihres Vermögens zu bestimmen beabsichtigte.
Am 10. November 1861 reisten die 47-jährige Ewa Potocka sowie Tekla und Antonina Kłobukowska zum Haus der Barmherzigkeit in Laval, wo sich M. Rondeau persönlich ihrer Ausbildung annahm. In dieser Zeit eigneten sich die Polinnen den Geist des Ordenslebens, die Arbeitsmethoden der apostolischen Arbeit sowie die Sitten und Regeln des Hauses der Barmherzigkeit an. Jede von ihnen fertigte eigenhändig eine Kopie des ersten (unvollständigen) Entwurfs der Konstitutionen von 1858 an, die sie nach Polen mitbrachten.
Nach acht Monaten, am 10. Juli 1862, fand die Feier ihrer Einkleidung statt. Sie nahmen damals ihre Ordenstracht und Ordensnamen an: Ewa, als zukünftige Gründerin, erhielt den Namen: Mutter Maria Magdalena Teresa; Tekla den Namen Schwester Maria Monika Kunegunda und Antonina – Schwester Maria Rosa von Lima. Der Tag der Zeremonie war ein fröhlicher und denkwürdiger Augenblick für die Gemeinschaft in Laval. Einer der französischen Priester, der bei der Zeremonie zugegen war, schrieb in seinem Bericht: Beim Anblick der Prinzessin, der Schwester Maria Magdalena Teresa, die zum letzten Mal in ein kostbares Gewand gekleidet war und die majestätisch zur guten Mutter schritt und ihr zu Füßen niederkniete, um demütig am das Gewand der Armut zu bitten, wurde ein Meer von Tränen vergossen. Es war ein himmlischer Tag für das ganze Werk der Barmherzigkeit. Die Einkleidung der drei Polinnen und die privaten Gelübde von Sr. Rosa hatten keinerlei rechtliche Bedeutung, weil sie kein kanonisches, einjähriges Noviziat in Laval absolviert hatten, sondern waren nur ein äußerliches Zeichen der Hingabe an den Dienst Gottes und Ausdruck des Verlangens, ein Kloster in Polen zu gründen.
Am 16. Juli 1862 kehrte Mutter Teresa Potocka mit ihren zwei Begleiterinnen nach Krakau zurück. Unterwegs machten sie Halt in Nancy, Straßburg und Wien, wo sie sich mit dem Priester Msgr. Capri traf, um die Gründung einer Kongregation in Polen zu besprechen. In Krakau, wohin sie am 26. Juli gelangten, hielten sie sich vorübergehend im Dominikanerinnen-Konvent Na Gródku auf.
5. Die Gründung des Hauses der Barmherzigkeit in Warschau und Krakau
Mutter Teresa wurde bald klar, dass es mit der Gründung eines Hauses der Barmherzigkeit in Krakau Schwierigkeiten geben würde, weil die österreichische Regierung der Gründung jedweder neuen Kongregation ablehnend gegenüberstand. In dieser Lage nahm sie den Vorschlag des Vereins der Warschauer Frauen mit Gräfin Aleksandra Potocka, die das „Schutzhaus der Obhut der Allerheiligsten Jungfrau“ leitete, und des Erzbischofs Zygmunt Feliński (1822-1895) an, der sie nach Warschau einlud, damit sie in dieser Stadt ein Haus der Barmherzigkeit gründete. Am 14. Oktober 1862 reisten Mutter Teresa und ihre zwei Begleiterinnen aus Krakau ab. Über Nacht machten sie Halt in Częstochowa, wo sie vor dem Gnadenbild der Muttergottes von Jasna Góra beteten und Ihr das zukünftige Werk anvertrauten. Am Abend des 17. Oktobers gelangten sie nach Warschau und nahmen, bis die Renovierung des Anwesens in der Żytnia-Straße abgeschlossen war, ihren Aufenthalt im Wilanów-Palast. Priester Golian wurde zum Professor der Geistlichen Akademie in Warschau ernannt und zog ebenfalls dorthin um.
Als Tag der Eröffnung des Hauses der Barmherzigkeit in der Żytnia-Straße in Warschau wählte Mutter Teresa die Allerheiligen-Feier am 1. November 1862. An diesem Tag hielt Erzbischof Zygmunt Feliński in der bescheiden ausgestatteten Schwesternkapelle die erste heilige Messe ab, in deren Verlauf er die Priesterweihe eines Seminaristen vollzog. Dieser Tag gilt als das Gründungsdatum der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit in Polen.
Zum Zeitpunkt der Eröffnung zählte das Haus der Barmherzigkeit in Warschau 12 Büßerinnen, junge Mädchen, die Mutter Teresa vom „Schutzhaus der Obhut der Allerheiligsten Jungfrau“ anvertraut worden waren, das früher von einer Sodalität frommer Frauen geführt worden war (u. a. der Gräfin Aleksandra Potocka), später durch die Felizianerinnen und Marienfamilien, die keine Erfahrung bei der Durchführung eines solches Werkes hatten. Mutter Teresa begann alle Angelegenheiten auf der Grundlage der Konstitutionen zu organisieren. Für die auf den polnischen Gebieten entstehende Kongregation übernahm sie auch den Namen aus Laval: Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit.
Das Haus der Barmherzigkeit war eine Zufluchtsstätte für Mädchen und Frauen, die einen schlechten Ruf genossen, aber aus eigenem Willen eine Besserung ihres Lebens wünschten. Die Hauptaufgabe der Schwestern bestand darin, ihnen den Reichtum der Barmherzigkeit Gottes zu zeigen und sie bei der Wiedererlangung der eigenen Würde, die durch die Sünde verloren gegangen war, zu unterstützen. Das Erziehungsprogramm stützte sich auf eine harmonische Verbindung von Gebet und Arbeit, die nicht nur den Unterhalt des Hauses gewährleistete, sondern auch für einen konkreten Beruf ausbildete. Die Zöglinge lernten einfache Hausarbeiten sowie Nähen und Sticken und bereiteten sich auf diese Weise auf ein würdiges Leben in der Gesellschaft vor.
Das Haus der Barmherzigkeit in Warschau begann sein Wirken unter sorgsamen Obhut von Erzbischof Feliński, der seine materiellen und geistlichen Bedürfnisse befriedigte. Er achtete darauf, dass in der Gemeinschaft täglich eine heilige Messe stattfand und sandte zu diesem Zweck Priester aus der Geistlichen Akademie. Den Priester Zygmunt Golian bestimmte er zum ständigen Beichtvater des Hauses der Barmherzigkeit.
Zwei Monate nach der Gründung des Hauses der Barmherzigkeit, in der Nacht des 22. Januar 1863, brach in Warschau der Januaraufstand aus. Für Mutter Potocka und das Haus der Barmherzigkeit begann eine sehr schwierige Zeit. Im Januar 1863 wurde Erzbischof Feliński verhaftet und zu 20 Jahren Verbannung im Inneren Russlands verurteilt. Wegen der Konfiszierungswelle der Ordenskongregationen mussten Mutter Potocka und die Schwestern größere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um das Ordensleben und das apostolische Werk zu schützen. Kurz darauf musste sich Mutter Teresa auch mit finanziellen Problemen messen, weil manche Wohltäter sich bei der Unterstützung ihres Werkes als unzuverlässig erwiesen. Es gab Augenblicke, in denen sie nur auf das Einkommen aus ihrem Vermögen oder auf Almosen rechnen konnte. Trotz dieser Schwierigkeiten überdauerte das Haus der Barmherzigkeit nicht nur, sondern entwickelte sich sogar noch. Schritt für Schritt nahm nicht nur die Zahl der Zöglinge zu, sondern auch der Schwestern, die zur Übernahme dieses Werkes bereit waren.
Als die Repressionen gegenüber den Ordenskongregationen sich verstärkten, die zaristischen Behörden die Zahl der aufgenommenen Büßerinnen und der Personen, die mit ihnen arbeiten sollten, beschränkten und Priester Golian Warschau nach der Auflösung der Geistlichen Akademie verlassen musste, begann Mutter Teresa die Möglichkeit zu erwägen, ein Haus der Barmherzigkeit in Krakau zu gründen. Zur ersten Oberin ernannte sie Schwester Kunegunda Kłobukowska. Sie bemühte sich auch um geistliche Unterstützung bei den Jesuitenpriestern, die täglich die heiligen Messen feierten, die Beichte abnahmen, Konferenzen und Exerzitien für die Schwestern und Büßerinnen abhielten. Seit August 1868 verrichtete Priester Golian, der in dieser Zeit auf Dauer nach Krakau zurückgekehrt war, den priesterlichen Dienst.
Das Haus der Barmherzigkeit in Krakau entwickelte sich schnell, deshalb wurde es bereits am 26. Juli 1871 in ein größeres Gebäude an der Ecke der Straszewskiego- und der Zwierzyniecka-Staße verlegt, dessen Fördererin Frau Helclowa war, die Witwe eines Professors der Jagiellonen-Universität. Im Laufe der Jahre erwies sich jedoch auch dieses Haus als zu klein für die ständig wachsende Zahl der Büßerinnen und Schwestern. Die Lage des Hauses in der Nähe der Weichselsümpfe war der Grund dafür, dass sich Typhus und Tuberkulose unter den Schwestern verbreiteten. Darüber hinaus zog Frau Helclowa, die anfänglich versprochen hatte, der Kongregation das Gebäude als Schenkung zu überlassen, ihr Versprechen zurück und verlangte von den Schwestern die Rückerstattung des Geldes. In dieser Situation baten die Schwestern den hl. Josef um Hilfe, die im Jahre 1888 kam, als Erzbischof Albin Dunajewski der Kongregation eine Schenkung der Fürstin Aleksandra Lubomirska übermittelte, die für den Kauf eines Grundstücks für ein Haus der Barmherzigkeit im Dorf Łagiewniki bei Krakau vorgesehen war. Die Schwestern zogen in das neue Haus, das Jozefów genannt wurde, im August 1891 um, unmittelbar nach dem Tode von Mutter Potocka.
6. Die Verweserin der polnischen Ordensprovinz
Als bereits zwei Häuser der Barmherzigkeit (in Warschau und in Krakau) tätig waren und die Zahl der Schwestern und Büßerinnen wuchs, erhielt Mutter Potocka aus Laval den Vorschlag, die polnische Gemeinschaft mit der französischen Gemeinschaft zu verbinden. Dieser Vorschlag kam von der Generaloberin der Gemeinschaft in Laval, Mutter Thérèse de Jésus Manceau, die Nachfolgerin von Mutter Rondeau, die sich darum bemühte, für die Kongregation die Approbation des Heiligen Stuhls zu erlangen. Zum Wohl der ganzen Kongregation nahm Mutter Potocka diesen Vorschlag an, obwohl er den Verlust der Autonomie der Kongregation auf polnischem Boden und die Schaffung eines Vikariats bedeutete, das von der Generaloberin in Laval abhängig war. Mutter Potocka wurde von da an zur Verweserin der polnischen Ordensprovinz der Kongregation in Laval.
Die Verbindung der polnischen mit der französischen Gemeinschaft erfolgte im Jahre 1878. Dieses Ereignis hatte immense Bedeutung für die organisatorische Struktur der Kongregation. Die neuen Konstitutionen, die die Approbation des Heiligen Stuhls erlangt hatten, zielten darauf, den ursprünglichen Geist der Kongregation sowohl in der französischen als auch in der polnischen Gemeinschaft zu erhalten. Mutter Teresa als Generalverweserin begann gemäß den Instruktionen, die sie aus Laval erhalten hatte, mit der Umorganisation beider Häuser der Barmherzigkeit: zuerst in Warschau, dann in Krakau. Im Sommer 1879 wurde nach dem Vorbild des Noviziats in Laval offiziell ein Noviziat in Warschau errichtet. Bis zur Verbindung der Gemeinschaften war Mutter Teresa selbst mit der Novizinnenausbildung befasst gewesen. Nun wurde diese Pflicht der Schwester Bernarda Tomicka anvertraut, die vor der Übernahme dieser Funktion für acht Monate nach Laval reiste, um sich dort auf die Erfüllung dieser Pflicht vorzubereiten. Später wurde es zu einer Gepflogenheit, auch die anderen Schwestern während der Ordensausbildung für eine gewisse Zeit nach Laval zu schicken.
Die von der Ausbildungstätigkeit befreite Mutter Teresa konnte sich der Erfüllung ihrer Pflicht als Generalverweserin und Oberin des Hauses in Warschau uneingeschränkter widmen. Sie leitete regelmäßig die Kapitel der Gemeinschaft, hielt den Professenschwestern Vorträge und widmete ihre Zeit individuellen Begegnungen mit den Schwestern usw. Wie sie selbst sagte, bestand ihr größtes Glück darin, Gott verlorene Seelen zuzuführen. Sie schrieb: Wenn ich auch nur eine Seele durch meine Arbeit gerettet hätte, wenn auch nur eine für Gott entrissen worden wäre, dann wäre ich schon reichlich belohnt. Ist es denn eine kleine Sache, eine Seele zu retten? Dieser Gedanke spornt mich zur Arbeit an, ja, er gibt mir Mut und Mannhaftigkeit in den größten Widrigkeiten. Die große Inbrunst bei der Rettung von Seelen ließ sie alle Schwierigkeiten des Alltagsleben mit Freude und Dankbarkeit hinnehmen. Sie selbst bekannte: Das macht mich so glücklich, dass ich das Kreuz nicht einmal spüre und Gott für alles dankbar bin.
Sie unternahm Anstrengungen, um denselben Geist mütterlicher Liebe und Inbrunst ihren geistigen Töchtern, den Mitgliedern der von ihr gegründeten Kongregation, einzupflanzen. So verlangte sie von ihnen völlige Selbstverleugnung, um die Büßerinnen, die Gott ihrer Obhut anvertraut hatte, liebevoll aufzunehmen. Sie bemühte sich, während der Ordensausbildung eine derartige Einstellung bei den jungen Schwestern zu fördern. Das Fehlen eines solchen Geistes war ein hinreichender Grund, die betreffende Schwester aus der Kongregation zu entfernen. Meine Liebe – sagte Mutter Teresa – wenn du ein Mitglied dieser Kongregation bleiben möchtest, musst du diese armen Seelen lieben. Du solltest dich weder vor ihnen fürchten noch dich ihrer schämen. Wenn du mir nicht zustimmst, dann nimm deine Sachen und geh deiner Wege.
Mutter Teresa bemühte sich stets, die Schwestern auf dem Weg ihrer Berufung und schwierigen Arbeit im Haus der Barmherzigkeit zu unterstützen. Sie belehrte, sich vor allem um die eigene Heiligkeit zu bemühen, um die Vereinigung mit Gott sowie um Hingabe für die Rettung der Seelen. Meine Schwestern – erklärte sie – in dem Maße, wie unsere Kinder im Guten fortschreiten und die Tugend liebgewinnen, werden wir ihnen mit Abtötung, Geduld und Sanftmut ein leuchtendes Beispiel sein. Wenn wir treu und Gott gehorsam sind, dann werden auch sie ihre Pflichten treu erfüllen. Sie machte den Schwestern bewusst, dass nicht so sehr ihre angeborenen Begabungen wichtig waren als vielmehr ihre Liebe zu Gott und den Seelen. Sorge dich nicht, meine teure Schwester – sagte sie – dass du keine natürlichen Begabungen hast. Bemühe dich, eine wahre Braut Christi zu sein, aber nicht nur nach außen – durch das Tragen des Habits oder durch den Ordensnamen. Sei eine Braut Christi im Geiste, durch ein tugendsames Leben und durch Liebe zu den Seelen, und wäre es auf Kosten der größten Opfer.
Mutter Teresa schöpfte Kraft aus dem Gebet. Die Augenblicke der Danksagung nach der heiligen Kommunion war für sie die kostbarste Zeit im Laufe des Tages. Vom Eucharistischen Jesus lernte sie mütterliche Liebe, die sich selbst vergisst, um anderen zu dienen. Das Danksagen wurde zu ihrem Lieblingsgebet. Sie hatte die Gewohnheit, Gott für alles zu danken, sowohl für Freuden als auch für Sorgen, und ermunterte die Schwestern, ihrem Beispiel zu folgen und Gott in Augenblicken der Prüfungen und Heimsuchungen zu danken. Mein Kind – bekannte sie – zu Beginn des Ordenslebens erschienen mir viele Dinge schwierig, denn ich war Bequemlichkeit gewöhnt. Jetzt ist alles für mich süß und einfach, und ich bin glücklich, und zwar deshalb, weil ich mich bemüht habe, Gott für alles zu danken. Mach es genauso, liebe Schwester, und alles wird für dich einfach und süß. Um ihren Schwestern und „Kindern“ den Geist der Dankbarkeit gegenüber Gott einzuflößen, führte Mutter Teresa das alljährliche Praktizieren einer „Woche der Danksagung“ für jede Schwester und Büßerin ein sowie das häufige, gemeinschaftliche Beten des „Danksagungsrosenkranzes“, des „Magnificat“ oder des „Te Deum“.
7. Der Tod in Wilanów
Die auszehrende Lebensweise und die schwere Arbeit verursachten, dass sich der Gesundheitszustand von Mutter Teresa ständig verschlechterte. Sie litt aufgrund vieler Beschwerden, hauptsächlich Asthma und einer Herzinsuffizienz, aber sie nahm ihr Kreuz mit der gewöhnlichen Haltung des Gehorsams und der Dankbarkeit gegenüber Gott an.
Am 28. Juni 1881 reiste sie auf Einladung der Gräfin Aleksandra Potocka zum Wilanów-Palast, um sich dort zu erholen und Kraft zu schöpfen. Vor der Abreise verabschiedete sich von allen Bewohnern des Hauses, als hätte sie eine Vorahnung gehabt, dass sie sie nie wiedersehen würde. Am dritten Tag nach der Abreise nach Wilanów fühlte sie sich plötzlich sehr schlecht. Man holte einen Arzt, der eine ernste Lebensgefahr feststellte. Dies beunruhigte alle Schwestern in Warschau. Als Schwester Aniela Popławska, die Assistentin der Mutter, sie in diesem schweren Zustand sah, brach sie in Tränen aus. Die Mutter reagierte darauf mit großer Ruhe: Warum machen Sie sich Sorgen, Schwester? Möge es so kommen, wie Gott will. Ich bin auf alles gefasst. Die Krise ging jedoch vorüber und Mutter Teresa fühlte sich wieder ein bisschen besser. Sie konnte sogar auf den Balkon hinaustreten und Besuche der Schwestern empfangen. Am Mittwochmorgen des 6. Juli 1881 ging sie zur Beichte und empfing die heilige Kommunion. Sie war an diesem Tag sehr fröhlich und gesprächig. Mit Hilfe von Sr. Rafała ging sie zum Mittagessen in den Speisesaal hinunter. Als sie ihren Platz bei Tisch einnahm, spürte sie einen plötzlichen Schmerz im Brustkasten. Man leistete ihr erste Hilfe, aber ohne Erfolg. Sie starb um 12.30 Uhr, nachdem sie zuvor zweimal die Hilfe Marias angerufen hatte. Ihr Leichnam wurde unmittelbar nach ihrem Tod in die St. Anna-Kirche beim Wilanów-Schloss überführt, dann in die Kapelle der Kongregation in der Żytnia-Straße in Warschau, wo die Schwestern und Zöglinge bis zum Tag der Beisetzung, die am Samstag, dem 9. Juli stattfand, bei ihr Wache hielten. Am Beerdigungskondukt auf dem Powązki-Friedhof in Warschau nahmen zahlreiche Priester, Schwestern und Zöglinge teil, darüber hinaus staatliche Beamte und Familienmitglieder.
Mutter Teresa Potocka starb im Alter von 67 Jahren, nachdem sie 20 Jahre in der von ihr gegründeten Kongregation verbracht hatte. Zum Zeitpunkt ihres Todes gab es im Haus in Warschau 13 Schwestern, in Krakau 10 Schwestern sowie etwa 120 Büßerinnen in beiden Häusern zusammen.
In der Grabrede sagte Priester Golian: Wir wollen sie keine Heilige nennen, weil nur die Kirche das Recht hat, diesen Titel zu verleihen. Mögen indessen unsere Bemühungen in der Arbeit, für die sie bereit war, ihr Leben hinzugeben, ihre Heiligkeit beweisen. Wie viele Male sagte sie zu mir, dass sie schließlich verstanden hatte, was Glück ist, als sie sich diesem Werk völlig hingegeben hatte. Wie viele Male brachte sie ihre Dankbarkeit gegenüber Gott dafür zum Ausdruck, dass Er ihr die Gnade der Ordensberufung hatte zuteil werden lassen, dass Er ihr erlaubt hatte, Ihm in dieser Kongregation und keiner anderen zu dienen. Obschon uns das Herz vor Schmerz blutet, weil sie nicht mehr unter uns hier auf Erden weilt, wollen wir mit dem Blick auf ihr Beispiel, indem wir ihre Briefe lesen und Gott für die Gnade danken, die uns und der ganzen Kongregation zuteil wurde, Kraft schöpfen und dazu ermuntern, mit großem Vertrauen unsere Berufung weiterzuleben.
Sr. M. Saula Firer ISMM
Sr. M. Elżbieta Siepak ISMM
Übersetzt von Sabine Lipińska